Warum Jungen in der Schule Probleme haben

Brennpunkt Schule

 

Die Frage „Warum Jungen in der Schule Probleme haben“ ist die eine Seite der Medaille, so gefragt liegt die Verantwortung für jegliche Herausforderungen bei den Jungs.

Das ist so, als ob man dem Seismologen die Schuld am Erdbeben gibt. Besser ist es, genau hinzuschauen und seinen Warnungen zu glauben.  

Lass uns mal die andere Seite der Medaille betrachten. Auch dort gibt es interessantes zu entdecken. 

Die Schule hat mit Jungen ein Problem!  

Nicht umgekehrt! Meistens zumindest.  

Wir Eltern stehen oft dazwischen! 
 

Hast Du eine Ahnung wie es für Jungen in der Schule abläuft? 

Jungen in der Schule werden oft als anstrengend erlebt und das Image unserer Söhne ist belastet. Sogar die PISA Studie belegt, dass Jungen die Verlierer sind und viel schlechter abschneiden als Mädchen. Lassen wir uns das mal auf der Zunge zergehen: „Jungen sind anstrengend, Bildungsverlierer und haben ein schlechtes Image in Schulen.“

Das stellt den Sachverhalt aus der Sicht der Pädagogen, Bildungsprofis und leider auch vieler Eltern dar. Es gibt allerdings auch eine andere Seite! Die der Jungs selbst. Was machen solche Aussagen mit unseren Söhnen? Man muss schon ein dickes Brett vor dem Kopf haben, wenn man glaubt, die Jungs bekommen nicht mit, dass sie als „schwierig“ gelten.

Schule ist in den Augen von Jungen eine extreme soziale Situation, der sie ausgesetzt sind.  Das müssen sie erstmal aushalten.

Schule und Mädchen

Auch Mädchen sind hier gut gefordert, aber sie bringen aus ihren Spielewelten, Familie und Kindergarten ihre einschlägigen Beziehungskompetenzen mit ein. Mädchen verhalten sich eher kooperativ und versuchen den Erwartungen der Lehrer gerecht zu werden. Sie sind auch an Statusfragen oder Positionsklärungen nicht wirklich interessiert. Umgekehrt aber freundlich und fleißig. Klar, es gibt auch Jungs, die das draufhaben. Sie sind aber in der Minderheit.

Mit einem Blick auf die Mädchen geraten LehrerInnen bei der Jungenfrage schnell in den Vergleich: Bei Mädchen geht das doch auch! Die Jungen sollen doch gefälligst wie die Mädchen sein! 

In der Schule gut zu sein, zählt bei den meisten Jungen sehr wenig!
Viele Jungen entwickeln wenig bis keine Motivation sich anzustrengen.

Gründe für schlechte Leistung der Jungen:

  • Leisten wollen heißt auch verzichten: Im Unterricht auf den Spaß mit dem Sitz Nachbarn oder auch auf Statuspunkte durch eine gelungene Störfunktion. Jungen leben häufig im JETZT also in der Gegenwart. Ob die abgeschossene Papierkugel trifft, ist im Moment wichtiger als das öde Gelabere unmotivierter Lehrer. Wieso sollten sie auf Spaß und lustvolle Momente verzichten, niemand kann ihnen versprechen, dass sie durch Anstrengung tatsächlich weiterkommen werden. 
  • Leistung für Status: Die Konsumgesellschaft vermittelt unseren Jungen, dass Männlichkeit, Status oder Ansehen nicht der Lohn für Leistung sind. Ihr Lebensziel daher ist, konsumieren zu können und nicht sozial aufzusteigen oder sich weiterzuentwickeln. 
  • Nicht Anstrengung, Fleiß, Konzentration oder Mühsal ist der Weg zum Erfolg. Nein, die Idee dies durch Genialität zu erreichen oder auf dem unteren Niveau zu glänzen, ist es. Ein lustiger “Looser”, so einer wie Bart Simpson ist für viele Jungen wesentlich attraktiver als ein Kämpferheld oder ein Problemlöser. Auch ist der Weg zum „lustigen „Looser“ weniger Mühsam als zum, durch Leistung glänzenden, „Klassenstar“ aufzusteigen.
  • Mach dich mal locker, Mann. Sich anstrengen birgt auch die Gefahr, bei den Gleichaltrigen unten durch zu sein. Vor allem dann, wenn die Peergroup Deines Sohnes ähnlich tickt. Einem Teil der Jungen ist eben die Coolness wichtiger, als Fleiß und Disziplin. Jungen leisten dann, wenn es mit den Positionen der Gleichaltrigen übereinstimmt. Die Schule sollte könnte dieses Wissen als Motivationsquelle für Jungen nutzen!  
Kritik und Interessenskonflikte
  • Ab in den Klassen – Ring. Auch eher brave Jungen haben Spaß dran zu sehen, wie die Rebellen der Klasse in den Ring steigen und die Lehrer herausfordern. Die Anerkennung, zumindest in der Peergroup ist den Klassenrebellen ziemlich sicher. Und weckt daher bei so manchem Jungen den Wunsch, auch ein wenig rebellischer zu sein. Zum Leidwesen der Lehrer.
  • Das Geld liegt auf der Straße. Im Wirtschaftsleben und in den Medien wird demonstriert, das Erfolg, hoher Status und öffentliche Anerkennung oft Glück und Zufall sind. Teilweise wird Gerissenheit als der Schlüssel zum Erfolg gefeiert. Das oft extrem hohe Einkommen von Top Stars oder Managern ist mit Leistung selten begründbar! 
  • Gangster lernen keine Vokabeln. Vorbilder an denen sich Jungen orientieren, repräsentieren oft einen bestimmten Typus von Männlichkeit. Jungen feilen an ihrem Gangsterimage, bewundern Rapper oder andere harte Jungs. Lateinvokabeln pauken oder mathematische Lehrsätze lernen passen nicht wirklich zu diesem Immage.
  • Wer braucht schon Männer? Die Selbstverständlichkeit, dass Männer wichtig sind und benötigt werden scheint abhanden gekommen zu sein. Jungen haben das Gefühl, später als Männer gar nicht gebraucht zu werden! Ist es dann nicht auch völlig unerheblich ob sie nun Leistung erbringen oder nicht. 
  • Die neue Switch oder PS5? Ständig konkurrieren neue und attraktive Freizeit Angebote, die diesen speziellen Kick versprechen um die Gunst unserer Söhne. Dieses Rennen gewinnen häufig Medien, das Fernsehen, Spiele Konsolen, Tik Tok und viele andere. 
  • Besser der beste im Schlechtsein! Schlussendlich ist es auch das gesamte System von Leistung und Bewertung. Wenn Bemühungen, auch im Vergleich mit den Mädchen, zu Misserfolgen und Enttäuschungen führen, entwickeln viele Jungen eine ablehnende Haltung. „Ich habe ja sowieso keine Chance auf Anerkennung!“ Wenn ich keine Chance auf Gutsein habe, dann kann ich doch auch der Beste im Schlechtsein werden! 

Stark ist das Kind, das mehr Träume hat, als die schulische Realität zerstören kann.

Vito

Kritik und Interessenskonflikte

In ihrer Freizeitgestaltung gibt es bei Jungen andere Prioritäten. Sie treffen sich lieber mit Freunden oder bewegen sich im Freien als nachmittags Vokabeln zu pauken. Für die soziale und körperliche Gesundheit ist diese Priorität förderlich, für die Schule wohl eher nicht. Das Image im Vergleich zu den Mädchen leidet darunter. 

Die Frage was Jungen interessiert und fasziniert wird in der Schule viel zu wenig gestellt. Den Bedürfnissen nach Handeln, Bewegung und motorischen Anstrengungen wird zu wenig entsprochen. Schule ist in den Augen von Jungen mehr Spielwiese als Ernstfall! Das soziale Geschehen in der Schule dagegen, ist oft ein Feld, auf dem Schlachten um den höchsten Rang geführt werden. Die oftmaligen Statuskämpfe mit Jungen oder die zahlreichen Konflikte mit LehrerInnen, das ist echt und bringt Erlebnisqualität! 

LehrerInnen missfällt meist schon die Form wie Jungen ihre Kritik äußern. Diese wird daher nicht angenommen und die Jungen verstehen sie falsch: Provokationen, Reibungen, Widerstand und Konflikte sind bei einem Teil der Jungen eine Form der Beziehungsaufnahme. Wenn LehrerInnen das nicht durchschauen, entsteht dadurch eine Beziehungsstörung. In den Augen des Jungen verweigern sie den Kontakt, das Bedürfnis nach Verbindung mit der Autorität wird jedoch abgelehnt.  

Welchen Vorteil hat dieses Verhalten?

Das Nichtanpassen an schulische Leistungen für den Jungen verspricht weitere Vorteile: Und zwar in der Situation selbst, wenn Schule emotional, lebendig und zum Ernstfall wird. Jungen lernen dadurch viel für später. Sie provozieren, geben sich in Autoritätskonflikte und versuchen sich zu behaupten. Dadurch wachsen sie und erlangen Fähigkeiten, die ihnen in ihrem späteren Berufsleben von Vorteil sind – sofern es ihnen gelingt einen akzeptablen Abschluss zu erlangen.  

Jungen können später Selbstvertrauen, Positionierung, Durchsetzungsfähigkeit, Kreativität, Eigensinn nur dann anwenden, wenn sie schulisch nicht abgehängt werden. Die Wahrscheinlichkeit, dass Jungen abgehängt werden ist relativ hoch! Denn sie werden für ihr unangemessenes Verhalten abgestraft. Die “schlimmen” Jungen werden für gleiche Leistungen schlechter benotet als brave, angepasste Jungs oder Mädchen. Auch bekommen sie wesentlich seltener Empfehlungen für weiterführende Schulen als Mädchen – die späte Rache der Schule. 

Pädagogisch wertvoll

Vieles in der Jungenproblematik hängt vom Lehrpersonal an Schulen ab. Deshalb werden händeringend LehrerInnen gesucht. Diejenigen, die über Jungen im jeweiligen Alter Bescheid wissen und in der Lage sind im Unterricht auf die Jungen einzugehen. Natürlich wollen nicht alle Jungen so behandelt werden, es gibt ja nicht nur laute oder solche die stören. Auch die leisen, schüchternen und unauffälligen Jungen müssen in der Schule zu ihrem Recht kommen.  

Was Jungen erwarten ist Gerechtigkeit, Eindeutigkeit, klare Ansagen und Struktur. Eine stabile Leitplanke in der Person der Lehrkraft. Solche LehrerInnen werden von den Schülern akzeptiert! Viele sogar geliebt, gerade weil sie unabhängig davon sind gemocht oder geliebt zu werden! 

Unser Resümee

Es gibt also zahlreiche Gründe, Leistungserwartungen nicht zu entsprechen. Umgekehrt gibt es jedoch einen einfachen Trick, Jungen zu mehr Leistung zu motivieren. Damit sich erst gar keine negative Grundhaltung entwickelt, ist ein Blick auf ihre Bedürfnisse besonders wichtig!  

Erfolge und Erfahrung, dass Leistungsbemühungen Wirkung haben sind dabei eine Voraussetzung. Eltern und Schule müssen sich daher intensiv und gemeinsam der Thematik Schule und Jungen stellen! 

Quelle: Auszüge aus dem Buch “Jungen” von Reinhard Winter, Seite 136 – 150  


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Bleibt munter und gesund

Anton

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