Egoismus oder Egozentrik? Warum dein Sohn dich nicht mit Absicht ignoriert.

„Warum ist mein Sohn so egoistisch?“ Viele Eltern stellen sich diese Frage, wenn ihr Teenager plötzlich nur noch an sich selbst denkt, patzig antwortet oder scheinbar keine Rücksicht mehr auf andere nimmt. Besonders während der Pubertät wirken Jungen oft rücksichtslos, faul oder kalt – doch was, wenn es in Wahrheit gar kein Egoismus ist, sondern etwas ganz anderes?

In diesem Blogartikel erfährst du, warum dein Sohn in der Pubertät nicht egoistisch, sondern egozentrisch handelt – und wie du als Mutter oder Vater besser mit seinem Verhalten umgehen kannst. Mit wissenschaftlichem Hintergrund, verständlich erklärt – und vielen alltagsnahen Beispielen aus dem Familienleben.

Egoismus oder Egozentrik – der feine, aber entscheidende Unterschied

Egoismus heißt: „Ich weiß, dass es dir damit schlecht geht – aber das ist mir egal.“ Egoistisches Verhalten ist bewusst, berechnend und auf den eigenen Vorteil ausgerichtet – selbst wenn es anderen schadet.

Egozentrik dagegen bedeutet: „Ich sehe dich gerade nicht – nicht, weil ich nicht will, sondern weil ich es nicht kann.“ Es ist keine Entscheidung, sondern ein Zustand. Ein Tunnelblick – oft ausgelöst durch emotionale Überforderung oder neurologische Umbauprozesse.

Beispiel: Dein Sohn kommt nach Hause, schmeißt seinen Rucksack in die Ecke und motzt los, dass es nichts Gescheites zu essen gibt – ohne zu sehen, dass du mit Kopfschmerzen auf der Couch liegst. Klingt egoistisch? Ist es meistens nicht. Es ist egozentrisch. Er ist gerade so sehr in seinem inneren Stress gefangen, dass er dich nicht wahrnimmt.

Was im Gehirn deines Sohnes passiert – die Pubertät als neurologische Großbaustelle

Während der Pubertät findet ein radikaler Umbau im Gehirn statt. Etwa 50 % der Synapsen – also die Verbindungen zwischen Nervenzellen – werden abgebaut. Nur die stärksten und häufig genutzten bleiben erhalten und werden weiter ausgebaut.

Das bedeutet: Emotionale Bewertungen aus der Kindheit gehen verloren. Ein Junge, der mit zehn Jahren noch empathisch reagiert hat, kann mit 14 wirken, als hätte er nie gelernt, Rücksicht zu nehmen. Die Erinnerung an Mitgefühl, Rücksicht und Verantwortung ist wie unter einer dicken Decke aus Umbauplänen vergraben.

Beispiel: Du erinnerst ihn daran, wie stolz du warst, als er letztes Jahr seiner kleinen Schwester beim Fahrradfahren geholfen hat. Und er zuckt nur mit den Schultern – als wäre das ein völlig anderer Mensch gewesen.

Aber: Die Spiegelneuronen, die für Empathie zuständig sind, bleiben erhalten. Sie sind lediglich weniger aktiv verknüpft. Sobald die Baustelle abgeschlossen ist, tauchen auch Mitgefühl und Rücksicht wieder stärker auf.

Warum Egozentrik in der Pubertät sogar wichtig ist

Jugendliche sind keine fertigen Erwachsenen. Sie sind Suchende. Und wer sich selbst finden will, muss sich manchmal um sich selbst drehen. Egozentrik ist daher keine Schwäche – sondern eine notwendige Phase auf dem Weg zur Identität.

Beispiel: Dein Sohn steht 20 Minuten vorm Spiegel, um seine Frisur zu richten, aber denkt keine Sekunde daran, dir mit den Einkaufstaschen zu helfen. Er wirkt eitel oder faul – in Wahrheit ist das sein inneres „Wer bin ich?“-Programm, das gerade auf Hochtouren läuft.

Die Herausforderung für Eltern: Nicht alles persönlich nehmen – und trotzdem liebevoll und klar bleiben.

Verstehen ≠ Freibrief: Warum du trotzdem Haltung zeigen darfst

Nur weil dein Sohn egozentrisch handelt, heißt das nicht, dass du jedes Verhalten durchgehen lassen musst. Es heißt aber: Du kannst unterscheiden, ob er dich bewusst verletzt – oder einfach nur blind für deine Perspektive ist.

Und diese Unterscheidung macht alles leichter.

Was du tun kannst, wenn dein Sohn egozentrisch (oder egoistisch) wirkt

1. Bleib ruhig – auch wenn du innerlich kochst

Emotionen sind ansteckend. Wenn du laut wirst, verstärkst du seine Abwehr. Wenn du ruhig bleibst, entsteht Raum für Reflexion.

Beispiel: Statt „Du interessierst dich nur für dich!“ sag:
„Ich merke, du bist gerade ganz bei dir – ich fühle mich dadurch übersehen. Kannst du mal schauen, ob da was dran ist?“

2. Setze klare Grenzen – mit ehrlicher Begründung

Grenzen brauchen Erklärung, sonst wirken sie wie Willkür.

Beispiel:
„Das Fahrrad, das du im Straßengraben gefunden hast – wir wissen nicht, wem es gehört. Ich möchte nicht, dass du es benutzt, bevor wir nicht geklärt haben, ob es vermisst wird. Verantwortung beginnt bei solchen Entscheidungen.“

3. Sprich über Verhalten, nicht über Charakter

Vermeide Etiketten wie „Du bist egoistisch“. Bleib beim Verhalten – das ist veränderbar.

Besser:
„Dein Verhalten heute wirkt sehr egozentrisch – ich glaube, du hast gar nicht mitbekommen, wie’s mir geht.“

4. Trainiere Empathie durch gute Fragen

Jugendliche lernen am besten über Selbsterkenntnis – nicht durch Vorträge.

Beispiel:
„Was glaubst du, wie sich deine Schwester fühlt, wenn du ihr ständig ins Wort fällst?“
„Und wie würdest du dich fühlen, wenn ich so mit dir reden würde?“

5. Sprich über deine eigene Pubertät

Du warst auch mal 14. Und du warst sicher nicht immer angenehm. Wenn du das teilst, zeigst du: Du verstehst ihn – ohne dich anzubiedern.

Beispiel: Ich erinnere mich, wie ich damals dachte, die Welt dreht sich nur um mich. Und ich war felsenfest überzeugt, dass meine Eltern mich einfach nicht verstehen.

Wenn es doch Egoismus ist – wie du reagieren kannst

Wenn dein Sohn bewusst zu deinem Nachteil handelt, obwohl er die Konsequenzen kennt, dann ist das kein „normaler“ Umbauprozess mehr – sondern Egoismus.

Dann gilt: Bleib klar. Bleib fair. Zieh Konsequenzen – aber ohne emotionale Erpressung.

Beispiel: Du hast genau gewusst, dass du das nicht darfst – und dich trotzdem dafür entschieden. Das verletzt mich. Deshalb gibt es jetzt Konsequenzen. Aber ich bleibe in Beziehung mit dir.

Fazit: Du bist nicht machtlos – du bist der Anker

Dein Sohn ist nicht egoistisch – er ist in einer biologischen, emotionalen und neurologischen Findungsphase. Das entschuldigt nicht alles, aber es erklärt vieles.

Du bist der ruhige Pol im Sturm. Der Leuchtturm, nicht der Rettungsschwimmer. Du zeigst Haltung – und bleibst dabei offen und zugewandt.

Denn irgendwann wird dein Sohn zurückblicken – und erkennen:
„Meine Eltern haben mich gesehen, als ich mich selbst noch nicht sehen konnte.“

Wenn du das Gefühl hast, du drehst dich im Kreis, dein Sohn blockt ab oder ihr kommt nicht mehr ins Gespräch – dann hol dir Unterstützung. In unseren Coachings oder Vater-und-Sohn-Reisen entsteht oft genau die Klarheit, die es zuhause braucht.

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