Früher Pornokonsum bei Jungs (10–15 Jahre) – Wie du als Mutter oder Vater Klarheit, Vertrauen und Verbindung schaffst
Inhalt
- Das Schweigen im Wohnzimmer
- Was wirklich passiert: Das Gehirn im Ausnahmezustand
- Was Pornos mit deinem Sohn machen (und was nicht)
- Aus dem Coaching-Alltag: Zwei Geschichten, die erklären
- Was du tun kannst – und was besser nicht
- Eltern-Mindset: Vom Kontrolleur zum Begleiter
- Was dein Sohn in Wahrheit sucht
- Wie du die Beziehung stärkst
- Der Fehler, den fast alle Eltern machen
- Was wirklich hilft: Präsenz
- Fazit
Ist dein Sohn über 12 Jahre alt? Hat er Kontakt zu anderen Jungs, vielleicht auch Jungen, die ältere, männliche Geschwister haben? Ach, hat dein Sohn ein Smartphone oder einen Computer mit Internetzugang? Ja?
Na dann kannst du dich so gut wie sicher sein: Dein Sohn hatte schon mehr oder weniger intensiven Kontakt zu Pornos.
Ja, genau – dein Sohn. Nicht der Sohn der Nachbarn, nicht „irgendwelche Jugendlichen“. Auch dein Sohn! Und das ist kein Skandal. Es ist Realität.
„Die eigentliche Frage ist nicht ob, sondern wie du jetzt mit ihm darüber redest – ohne Scham, ohne Moralkeule, aber mit Mut.“ (Anton Wieser)

Das Schweigen im Wohnzimmer
Er sitzt da – Kopfhörer auf, Handy halb versteckt. Eine Decke über seinen Beinen.
„Was schaust du?“ – „Nichts.“
Ein „Nichts“, das dich plötzlich beunruhigt. Eines der Art, von dem du weißt, da ist was im Busch.
Vielleicht hast du durch Zufall (wie sonst auch) im Browserverlauf deines Sohnes explizite Webseiten entdeckt, die dich kurz erstarren ließen.
Vielleicht hat dir eine andere Mutter erzählt, dass die Jungs in der Klasse über Dinge reden, die du gar nicht hören willst.
Oder du merkst einfach: Irgendwas hat sich verändert. Dein Sohn ist zurückhaltender, vermeidet Augenkontakt, rollt mit den Augen, wenn du das Wort Aufklärung nur andeutest.
Du willst helfen. Aber du weißt nicht, wie.
Du willst ihn schützen. Aber du willst ihn auch nicht beschämen.
Und du willst keine Moralpredigt halten. Aber du weißt, du musst das Thema ansprechen. Aber wie?
Viele Eltern sagen mir im Coaching:
„Anton, ich hab keine Ahnung, wie ich das Thema ansprechen soll, ohne dass er sofort dicht macht.“ Oder:
„Ich hab Angst, dass ich was kaputt mache, wenn ich frage.“Die Wahrheit ist: „Du machst nichts kaputt, wenn du redest – du machst etwas kaputt, wenn du schweigst.“
Was wirklich passiert: Das Gehirn im Ausnahmezustand
Etwa ab dem 10. Lebensjahr ist das Gehirn deines Sohnes ein wilder Umbauplatz.
Die Hormone übernehmen das Kommando, und die Baustelle „präfrontaler Cortex“ – also der Bereich für Impulskontrolle, Planung und Bewertung – ist noch nicht fertiggestellt.
Oder wie ich es manchmal auf Elternabenden sage:
„Das Gehirn eines pubertierenden Jungen ist wie eine Baustelle ohne Verkehrsschilder – alle Spuren offen, aber keiner weiß, wer Vorfahrt hat.“
Das Belohnungssystem, das mit Dopamin arbeitet, ist überaktiv.
Das bedeutet: Wenn dein Sohn einen Reiz bekommt – ein Bild, ein Video, ein Klick – schießt Dopamin hoch.
Dieses Gefühl von Spannung, Neugier und Lust ist biologisch gewollt, um Sexualität zu entdecken.
Aber: Das Internet hat die Regeln verändert.
Früher dauerte es, bis ein Jugendlicher etwas über Sex herausfand. Heute reichen zwei Klicks. Früher war Sexualität einer der wenigen Bereiche, die Jugendliche „selbst“ erforschen mussten. Eltern waren da oft aus und vor. So wie heute, meist.
Und während du früher noch über Bravo-Hefte oder neugierige Gespräche mit Freunden informiert wurdest, bekommt dein Sohn heute eine digitale Dauerbeschallung aus Bildern, die nichts mit echter Sexualität zu tun haben. Eine „Gebrauchsanweisung“ aus dem Netz. Bilder ohne Ende, Klick für Klick, Seite für Seite.
Eine Studie der Landesanstalt für Medien NRW (2024) zeigt:
Bereits 26 % der 11- bis 13-Jährigen nutzen Pornographie zur Selbstbefriedigung, bei den 11- bis 17-Jährigen sind es 42 %. In der Schweiz (JAMES-Studie 2024) und in Österreich (Saferinternet 2025) bestätigen sich ähnliche Zahlen.
Das bedeutet: Der Erstkontakt passiert oft zwischen 11 und 13 Jahren – und in vielen Fällen ungewollt.
Das Problem ist also nicht die „Schuldfrage“.
Das Problem ist: Dein Sohn hat Zugriff auf etwas, dessen Bedeutung er neurologisch, emotional und moralisch noch gar nicht verarbeiten kann.

Was Pornos mit deinem Sohn machen (und was nicht)
Viele Eltern haben Angst: „Wird mein Sohn dadurch süchtig?“
Nein – nicht automatisch. Aber Pornos verändern etwas.
a) Sie verzerren das Bild von Sexualität
Pornos zeigen Drehbücher – keine Beziehungen.
Sie zeigen Kontrolle – keine Intimität.
Und sie zeigen Lust – ohne Liebe.
Wenn dein Sohn regelmäßig solche Bilder sieht, lernt sein Gehirn, dass Sexualität etwas ist, das man leistet – nicht etwas, das man erlebt.
b) Sie erzeugen Scham
Viele Jungen erzählen mir im Coaching:
„Ich weiß, dass das nicht echt ist – aber ich kann nicht aufhören.“
Sie schämen sich dafür, neugierig zu sein.
Aber genau diese Scham führt dazu, dass sie nicht reden – und damit allein bleiben.
c) Sie verschieben Grenzen
Wer mit 12 Jahren ständig übersexualisierte Inhalte sieht, verliert den Bezug zu Nähe, Zärtlichkeit, Respekt.
Die Folge: Unsicherheit im Kontakt mit echten Mädchen – oder das Bedürfnis, sich „männlich“ zu fühlen, indem man dominant wird.
Und ja – das betrifft auch ganz „normale“ Jungs.
Konkret könnte das heißen: Wenn die Regel lautet „eine Stunde zocken am Tag“, überlassen Sie ihm, wann er diese Stunde nutzt. Oder: Es gibt eine feste Schlafenszeit, aber am Wochenende darf er länger aufbleiben. So erlebt er sowohl Struktur als auch Vertrauen in seine Selbstständigkeit. Wichtig ist, dass beide Eltern an einem Strang ziehen und Regeln konsequent, aber ohne Schikane durchsetzen. Gleichzeitig sollten Regeln bei Bedarf angepasst werden, wenn Dein Sohn älter wird oder vernünftig über etwas verhandelt. Dieser Balanceakt zwischen Halt und Freiheit fördert Verantwortungsbewusstsein und Selbstkontrolle – grundlegende Zutaten für mentale Stärke.
Aus dem Coaching-Alltag: Zwei Geschichten, die erklären
Jonas (14)
Bei einem Männers Camp in den Kitzbüheler Alpen saß Jonas am Lagerfeuer, still wie ein Stein. Sein Vater war kurz auf die Toilette gegangen. Irgendwie hatte ich das Gefühl, Jonas will was los werden.
Ich fragte: „Was beschäftigt dich?“
Er zögerte, dann platzte es heraus: „Ich schau Pornos. Seit ich zehn bin. Ich kann nicht aufhören.“
Ich hab nicht geschimpft oder eine Moralpredigt gehalten. Ich hab gefragt: „Wie fühlst du dich danach?“
Er: „Leer.“ Und er sagte: „Bitte sag Papa nichts davon!“ Ich versprach ihm das.
Am Ende der Reise sagte er: „Ich hab zum ersten Mal das Gefühl, dass jemand mich nicht verurteilt.“
Lukas (12) – Die entdeckte Chatgruppe
Seine Mutter kam ins Online-Coaching, weil sie über den Familien-Tablet merkwürdige WhatsApp-Nachrichten entdeckt hatte.
Screenshots, Witze, Links – nichts Dramatisches, aber eindeutig sexualisiert.
Sie war wütend. Und gleichzeitig beschämt.
Wir übten, das Gespräch mit einer Frage zu beginnen statt mit Vorwurf.
Am Abend sagte sie: „Lukas, ich hab da was gesehen. Ich will nicht, dass du dich schämst, aber ich will verstehen, was du da suchst.“
Er antwortete leise: „Ich weiß nicht. Die anderen machen das auch.“
Daraus entstand ein ehrliches Gespräch über Neugier, Gruppendruck und Verantwortung.
Willst du ein kostenfreies Probecoaching probieren?
Was du tun kannst – und was besser nicht
1. Fang an zu reden – aber im richtigen Moment
Nicht beim Abendessen, nicht wenn du wütend bist.
Such einen Moment, in dem ihr beide entspannt seid: beim Autofahren, Spazierengehen, Kochen.
Sag nicht: „Ich hab gesehen, du schaust Pornos.“
Sag: „Ich weiß, dass im Internet viele sexuelle Inhalte auftauchen. Wie ist das für dich?“
Das klingt banal – aber der Unterschied ist riesig.
Er hört: „Ich will dich verstehen.“, nicht „Ich will dich erwischen.“
2. Erklär, statt zu verbieten
Wenn du nur sagst: „Das ist schlecht“, versteht er dich nicht.
Wenn du erklärst, warum das problematisch ist, entsteht Verständnis.
Zum Beispiel so:
„Diese Filme sind wie Actionfilme – da wird auch keiner wirklich erschossen. Aber wenn man nur das sieht, glaubt man irgendwann, so funktioniert das mit der Liebe.“
Mach klar:
- Pornos zeigen Sex ohne Beziehung
- Sie machen Frauen zu Objekten.
- Und sie vermitteln, dass echte Nähe nichts mit Kommunikation zu tun hat.
Aber sag das nicht als Vortrag – sondern als Gespräch.
3. Setze Grenzen mit Begründung
Jugendschutzfilter, zeitliche Limits, Handyfreie Zonen – ja, all das ist sinnvoll.
Aber: Sag, warum du es tust.
„Ich vertraue dir, aber ich will dich schützen, weil dein Gehirn gerade dabei ist, viel Neues zu lernen. Ich helfe dir, dich selbst zu schützen.“
So entsteht Verantwortung, nicht Rebellion.
4. Achte auf Warnsignale
- Rückzug oder auffällige Stimmungsschwankungen
- Schlafmangel durch nächtliches Surfen
- Aggression bei Gesprächen über Medien
- Schuldgefühle („Ich bin komisch“)
Dann ist es Zeit, Unterstützung zu holen.
Nicht, weil dein Sohn „krank“ ist, sondern weil er Orientierung braucht.
Manchmal reicht ein gutes Coaching, manchmal auch ein Gespräch mit einem Fachmann.
5. Sei ehrlich über deine eigene Peinlichkeit
Du musst kein Aufklärungs-Guru sein.
Du darfst sagen: „Mir ist das auch unangenehm.“
Aber bleib dabei: „Trotzdem will ich drüber reden.“
So signalisierst du Stärke durch Verletzlichkeit – und das ist für Jungen ein unglaublich starkes Vorbild.
6. Scham abbauen – Humor hilft
Ich erinnere mich an eine Szene auf einer Männers-Reise in Kroatien:
Ein Vater sagte beim Frühstück: „Also, ich hab versucht, mit meinem Sohn über Pornos zu reden. Nach drei Sekunden ist er ins Meer gesprungen.“
Wir lachten alle. Und dann erzählte er, wie sie abends doch redeten – bei Sonnenuntergang, mit einem Bier in der Hand.
Sein Fazit: „Ich musste erst loslassen, um ihn zu erreichen.“
Manchmal hilft Humor mehr als Pädagogik.
Eltern-Mindset: Vom Kontrolleur zum Begleiter
Viele Eltern glauben, sie müssten ihr Kind „beschützen“, indem sie alles kontrollieren.
Doch Kontrolle ohne Vertrauen erzeugt Heimlichkeit.
Und Heimlichkeit erzeugt Distanz.
Wenn du sagst: „Ich bin da, auch wenn’s peinlich wird“, passiert etwas Entscheidendes – dein Sohn merkt: „Ich darf bleiben, auch wenn ich nicht perfekt bin.“
Das ist Aufklärung im besten Sinn: nicht nur über Sexualität, sondern über Selbstwert.
Was dein Sohn in Wahrheit sucht
Dein Sohn sucht keine Pornos.
Er sucht Orientierung.
Er will wissen:
- Bin ich normal?
- Bin ich stark genug?
- Bin ich okay, so wie ich bin?
Und wenn er keine Antworten im echten Leben findet, sucht er sie im Internet. Deine Aufgabe ist, ihm zu zeigen, dass Antworten auch im echten Leben existieren – in Gesprächen, Begegnungen, Vertrauen.
Wie du die Beziehung stärkst
- Schaffe gemeinsame Erlebnisse. Natur, Bewegung, Abenteuer – sie öffnen Kanäle, die im Alltag verstopft sind.
Deshalb funktionieren unsere Vater-Sohn- oder Mutter-Sohn-Reisen so gut: Weil Gespräche dort entstehen, wo der Alltag weit hinter einem liegt. - Zeig Interesse, nicht Kontrolle. Frage: „Wie war dein Tag?“ statt „Hast du wieder geschaut?“
- Gib kleine Aufgaben. Verantwortung stärkt Selbstvertrauen.
- Vermeide Vergleiche. Sätze wie „Die Kinder von XY sind anders“ zerstören Nähe.
Wenn du diese Punkte lebst, brauchst du weniger Regeln – weil Beziehung Sicherheit gibt, die kein Filter ersetzen kann.

Der Fehler, den fast alle Eltern machen
Viele Eltern glauben, sie müssten perfekt informiert sein, bevor sie mitreden dürfen.
Aber Aufklärung ist kein Vortrag.
Es ist eine Haltung.
Du darfst Fragen stellen, du darfst Unsicherheit zeigen, du darfst lachen.
Dein Sohn braucht keinen Professor – er braucht einen Menschen, der bleibt, auch wenn’s unangenehm wird.
Was wirklich hilft: Präsenz
Wenn du dir eines merken willst, dann das:
Dein Sohn wird Fehler machen. Er wird Grenzen testen. Er wird Dinge sehen, die du lieber nie sehen würdest.
Aber entscheidend ist nicht, was er sieht – sondern wer da ist, wenn er darüber reden will.
Und das bist du.
Fazit
Vielleicht gehören diese Gespräche zu den unangenehmsten, die du je führen wirst.
Aber sie gehören auch zu den Wichtigsten.
Dein Sohn muss wissen:
• Sexualität ist kein Tabu.
• Neugier ist normal.
• Verantwortung ist lernbar.
• Und Liebe ist mehr als das, was man auf dem Bildschirm sieht.
Wenn du das vermitteln kannst, hast du ihn auf einem Weg begleitet, der ihn zu einem selbstbewussten, respektvollen jungen Mann macht.
Ich habe in meinen Camps, Coachings und Reisen etliche Gespräche geführt – manche peinlich, manche tief berührend. Oft mir jungen Männern alleine, manchmal auch mit dem Vater zusammen.
Und ich habe gelernt: Scham löst sich in Verbindung.
Wenn du tiefer einsteigen willst – hör gern in den Podcast „Unsere Jungs“ rein oder komm mit auf eine Männers- oder Boys-Up-Reise.
Manchmal sind Gespräche im Wald leichter als im Wohnzimmer.
Zum Schluss eine Frage, die du dir stellen kannst:
Wenn dein Sohn dir morgen sagen würde: „Danke, dass du mich verstanden hast“, was müsstest du heute tun?
Denk drüber nach.
Und dann tu genau das.
– Anton Wieser ( Boys Up! Das Eltern Buch )
Dein Sohn hat wahrscheinlich schon Pornos gesehen – früher, als du denkst.
Das Problem ist nicht der Konsum, sondern das Schweigen.
Sprich offen, erklär statt zu strafen, begleite statt zu kontrollieren.
So wird aus Scham Vertrauen – und aus Unsicherheit echte Stärke.
